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Wassergefühl im Schwimmen

Der unterschätzte Schlüssel für Technik, Effizienz und Leichtigkeit im Wasser

Wenn du schon einmal richtig gut im Wasser lagst und das Gefühl hattest, als würdest du fast mühelos dahingleiten, dann hast du etwas erlebt, das viele Schwimmer ihr Leben lang suchen: Wassergefühl. Es ist einer der faszinierendsten und am meisten unterschätzten Aspekte des Schwimmens. Gute Schwimmer spüren sofort, wann der Zug sitzt, wo sie Druck aufbauen müssen und wie sie sich im Wasser positionieren müssen, um effizient, schnell und entspannt zu schwimmen.

Doch was genau ist Wassergefühl? Und wie kann man es trainieren? Viele glauben, es sei eine angeborene Fähigkeit – doch das stimmt nicht. Wassergefühl ist lernbar. Und je besser dein Wassergefühl wird, desto leichter wird Schwimmen. In diesem Artikel erfährst du alles, was du wissen musst, um dein Wassergefühl systematisch zu verbessern und dadurch sicherer, sauberer und schneller durchs Wasser zu gleiten.

Was bedeutet Wassergefühl eigentlich?

Wassergefühl entsteht durch die Fähigkeit, Druck, Strömung und Widerstand im Wasser präzise wahrzunehmen. Entscheidend ist dabei:

1. Sensorik der Hände und Unterarme

Die Hände und Unterarme sind deine „Fühler“. Je feiner du Bewegungen kontrollierst, desto besser spürst du das Wasser.

2. Körperposition

Wenn du nicht stabil im Wasser liegst, verändert sich der Druck auf Hände und Arme ständig – gutes Wassergefühl ist so kaum möglich.

3. Gleichgewicht & Körperspannung

Ein stabiler Core sorgt dafür, dass du die Druckrichtung richtig wahrnehmen kannst. Sinkt die Hüfte ab, verändert sich die Zugbahn.

4. Rhythmus & Timing

Wassergefühl ist nicht hektisch. Je ruhiger und gleichmäßiger du schwimmst, desto mehr spürst du den Druck.

5. Repetition & Bewusstsein

Je öfter du saubere, bewusste Züge machst, desto stärker lernt dein Nervensystem, Wasser zu fühlen.

Eine schöne, kompakte Definition von Wassergefühl findest du im Schwimmlexikon. Dort wird Wassergefühl als komplexe koordinative Fähigkeit beschrieben, bei der Vortrieb und möglichst wenig Widerstand die zentrale Rolle spielen.
👉 Weitere Infos: Schwimmlexikon – Wassergefühl

Typische Fehler bei mangelndem Wassergefühl

Viele Schwimmer machen die gleichen Fehler, die verhindern, dass sich ein gutes Wassergefühl entwickeln kann.

1. Zu viel Kraft, zu wenig Technik

Viele wollen „durchziehen“, drücken aber nur Wasser nach unten statt nach hinten.

2. Fallender Ellbogen

Einer der größten Technikfehler im Kraul – ohne hohen Ellbogen kannst du kaum Druck aufbauen.

3. Starre Bewegungen

Gute Technik ist dynamisch. Wer steif schwimmt, unterbindet das Feedback des Wassers.

4. Schlechte Kopf- und Körperlage

Absinkende Hüfte, wackelnde Beine – alles verändert die Druckverhältnisse und zerstört das Wassergefühl.

5. Zu schnelle Bewegungen

Gutes Wassergefühl entsteht durch Kontrolle, nicht Geschwindigkeit. Viele schwimmen zu hektisch.

Wie du dein Wassergefühl gezielt verbessern kannst

Die gute Nachricht: Wassergefühl ist zu 100% trainierbar. Mit den richtigen Drills wirst du spüren, wie du nach und nach immer bewusster durchs Wasser gleitest.

A) Übungen an Land – Sensomotorische Vorbereitung

Auch außerhalb des Wassers kannst du dein Körperbewusstsein schulen.

1. Schulterblattkontrolle

Steuere dein Schulterblatt bewusst in alle Bewegungen – essenziell für Catch, Zug und Druckphase.

2. Unterarmrotationen

Aktiviere die Unterarme. Drehe sie langsam nach innen/außen – spürst du die Muskulatur? Das ist dein „Zugmotor“.

3. Spannungswechsel

Abwechselnd Körperspannung aufbauen und lösen – wichtig, weil Wassergefühl oft in der Mitte zwischen locker & gespannt entsteht.

B) Drills im Wasser – das Herzstück des Techniktrainings

1. Sculling

Die beste Übung überhaupt für Wassergefühl.

Varianten:

  • Sculling vorne (Catch)
  • Sculling seitlich (Unterwasserzug)
  • Sculling hinten (Endzug)
  • Sculling auf dem Rücken

Hier lernst du jede Druckrichtung kennen.

https://youtube.com/shorts/fUnFALuZcRM?si=7g0qQK-Gs9pHq50n

2. Kraul mit Faust

Mit der Faust nimmst du die Handfläche aus dem Spiel. Dein Unterarm muss mehr Druck aufbauen → massiver Technikgewinn.

3. Einarmiges Kraul

Perfekt für Druckrichtung, Ellbogenhaltung & Wassergefühl bei niedriger Geschwindigkeit.

4. Catch-Up Drill

Verlangsamt den Bewegungsablauf → ideales Gefühl für Zugbeginn.

5. Brust mit langer Gleitphase

Spürst du, wie das Wasser dich trägt? Hier trainierst du deine Balance im Wasser.

6. Delfinbeine in Streamline

Fokus auf Rumpf, Druckwelle und Wasserverdrängung.

Wassergefühl für jede Lage

Kraul

Beim Kraulschwimmen entscheidet vor allem die Catch-Phase darüber, wie gut dein Wassergefühl ist. Direkt nach dem Eintauchen deiner Hand solltest du spüren, wie du „ins Wasser greifst“. Der Ellbogen bleibt dabei hoch, damit Unterarm und Handfläche eine möglichst große Druckfläche bilden. Wenn du spürst, wie das Wasser gleichmäßig gegen deinen Unterarm drückt, bevor du nach hinten ziehst, arbeiest du sauber.
Wichtig ist, dass du das Wasser nach hinten wegdrückst – nicht nach unten. Viele Schwimmer verlieren ihr Wassergefühl, weil sie zu früh in die Tiefe drücken.
Ein ruhiger Rhythmus hilft dir zusätzlich, jede Phase des Zuges bewusst wahrzunehmen: Eintauchen, Fassen, Druckphase, Endzug.

Wenn du Anfänger bist, erfährst du hier mehr über das Kraulschwimmen!

Dass es beim Kraulschwimmen vor allem auf eine gute Druckfläche von Hand und Unterarm ankommt, wird auch in der Forschung deutlich. Eine Studie im Journal Frontiers in Sports and Active Living zeigt, dass Schwimmer mit besserem Druckaufbau an der Hand mehr Vortrieb und höhere Schwimmgeschwindigkeiten erreichen.

👉 Zur Studie: Relationship Between Hand Kinematics, Hand Hydrodynamic Pressure Distribution and Hand Propulsive Force in Sprint Front Crawl Swimming

Rücken

Beim Rückenschwimmen ist Wassergefühl besonders intensiv, weil du deine Hände nicht siehst und dich komplett auf dein Körpergefühl verlassen musst.
Dein Catch beginnt über dem Kopf: Die Hand taucht „klein“ ein, der Daumen leicht nach außen. Spüre, wie deine Hand zunächst fast „schwebt“, bevor sie festen Druck aufbaut.
Während der Zugphase solltest du fühlen, wie der Druck gleichmäßig vom Handgelenk über den Unterarm bis zur Hüfte läuft. Wenn der Druck punktuell abreißt, liegt es oft an einer instabilen Hüfte oder einem zu schnellen Rückholarm.
Je ruhiger dein Unterkörper bleibt, desto klarer kannst du die Druckverhältnisse wahrnehmen – ein perfektes Training für Wassergefühl und Rumpfstabilität.

Hier erfährst du mehr zur Rückentechnik!

Brust

Brustschwimmen hat die kürzeste Zugphase aller Lagen – darum ist Wassergefühl hier extrem wichtig.
Beim Öffnen der Arme spürst du den seitlichen Druck des Wassers besonders deutlich. Achte darauf, wie deine Hände das Wasser „auffächern“ und nach außen wegdrücken. Wenn du zu schnell oder hektisch ziehst, verlierst du den Kontakt zum Wasser.
Sobald die Hände nach vorne zurückkehren, zeigt dir die Gleitphase, ob deine Wasserlage passt:

  • gleitest du lange → gutes Wassergefühl + richtige Körperspannung
  • sinkst du schnell ab → mangelndes Gefühl oder zu wenig Spannung
    Brust ist die perfekte Lage, um Timing, Symmetrie und Wasserbewusstsein zu trainieren.

Wie du deine Brusttechnik verbesserst erfährst du hier!

Delfin

Delfinschwimmen lebt von Rhythmus, Wellenbewegung und Druckwahrnehmung.
Dein Wassergefühl kommt aus zwei Bereichen:

  1. der Wellenbewegung, die vom Brustkorb bis zu den Füßen läuft
  2. dem Catch, bei dem beide Arme gleichzeitig Druck aufbauen

Beim Kick solltest du spüren, wie das Wasser von deiner Hüfte über die Oberschenkel bis hin zu den Füßen verdrängt wird. Ein guter Delfinkick fühlt sich wie ein natürlicher „Flow“ an – gleichmäßig, kraftvoll und ohne hektische Bewegungen.
Beim Catch greifst du das Wasser mit beiden Händen gleichzeitig. Du solltest einen deutlichen, vollen Druck unter deinen Handflächen und Unterarmen spüren. Reißt dieser Druck ab, liegt es fast immer an einer instabilen Körperlinie oder einer unharmonischen Welle.

Mehr zum Delfinschwimmen erfährst du hier!

Mini-Trainingsplan (10–20 Minuten)

Perfekt für jedes Training – auch für Triathleten.

  • 4 x 25 m Sculling vorne
  • 4 x 25 m Kraul mit Faust
  • 2 x 50 m Einarmiges Kraul
  • 2 x 50 m Catch-Up Drill
  • 50 m Rücken locker

Fokus: bewusst fühlen, nicht schnell sein!

Mythen rund ums Wassergefühl

  • „Das kann man nicht lernen“ → Doch, es ist reines Techniktraining.
  • „Man braucht nur Kraft“ → Falsch, Kraft ohne Gefühl bringt nichts.
  • „Nur Profis haben Wassergefühl“ → Jeder kann Wassergefühl entwickeln.

Fazit: Wassergefühl ist der Schlüssel zu sauberem Schwimmen

Wassergefühl ist die Fähigkeit, das Wasser bewusst zu spüren und jede Bewegung effizient zu nutzen. Es entscheidet über Geschwindigkeit, Leichtigkeit und Technik. Wenn du dein Wassergefühl trainierst, wirst du nicht nur schneller, sondern auch entspannter schwimmen – egal ob im Becken oder im Freiwasser.

Mit jeder Einheit wächst dein Bewusstsein für Druck, Widerstand und Körperposition. Und genau das macht dich zu einem besseren Schwimmer. Mehr zur Theorie findest du hier!

Und wenn du noch tiefer in die Theorie hinter Wassergefühl, Druckaufbau und Hydrodynamik einsteigen willst, lohnt sich ein Blick in wissenschaftliche Übersichtsarbeiten. Eine gute Einstiegsmöglichkeit sind Reviews und Studien zu Hand- und Unterarmbewegungen im Schwimmen, wie sie z. B. in Frontiers in Sports and Active Living veröffentlicht werden.

👉 Beispielstudie: Relationship Between Hand Kinematics, Hand Hydrodynamic Pressure Distribution and Hand Propulsive Force in Sprint Front Crawl Swimming

Wenn du deine Technik gezielt verbessern möchtest oder schneller Fortschritte machen willst, unterstütze ich dich gerne im individuellen Coaching. Egal ob Anfänger, Triathlet oder Vereinsschwimmer – wir arbeiten gemeinsam an Wasserlage, Armzug, Beinschlag und effizienter Bewegung im Wasser.

Was du bekommst:

  1. individuelle Technik­analyse (vor Ort oder per Video)
  2. klare, verständliche Korrekturen
  3. Übungen & Drills, die genau zu dir passen
  4. Trainingspläne für jedes Niveau
  5. Coaching in Bremen oder online

👉 Mehr Infos & Termine: Trainingsangebot

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