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Wassergefühl ist eine komplexe Koordinative Fähigkeit

Wassergefühl

Das Wassergefühl ist ein heiß diskutiertes Thema beim Schwimmen. Wasser weist eine 800-mal höhere Dichte auf als Luft. Wir bewegen uns also in einer ganz anderen Welt. Wenn wir ins Wasser springen sind unsere Fähigkeiten vom Land nur noch begrenzt anwendbar. Eine Definition, die man für das Wassergefühl heranziehen kann ist Folgende:

Nach Klaus Rudolph ist Wassergefühl eine komplexe koordinative Fähigkeit als Folge von Veranlagung und Erfahrung im Umgang mit dem Wasser, wobei Vortrieb und geringe Widerstandsbildung die wesentlichen Kenngrößen sind.

Also was können wir unter Wassergefühl verstehen?

Das Wassergefühl ist das erfühlen des Wassers. Gute Schwimmer spüren z.B. die unterschiedene zwischen dem Wasser in einem Schwimmbecken oder einem See. Auf das Gefühl habenTemperaturunterschiede ebenfalls einen Einfluss. Neben dem reinen Fühlen geht es beim Wassergefühl auch um die eigene Wahrnehmung im Wasser. Wie und wo befinde ich mich und wie bewege ich mich durch das Wasser. Ziel des Ganzen ist es möglichst widerstandsarm mit dem Wasser zu schwimmen und nicht gegen das Wasser. Diese Wahrnehmung ist hoch individuell und von Athlet zu Athlet unterschiedlich. Das Wassergefühl steht unter anderem auch in Zusammenhang mit den koordinativen Fähigkeiten und der Beweglichkeit. Je mehr Bewegungsmuster wir können umso vielfältiger können wir das Wasser spüren und umso stärker ist das Wassergefühl ausgeprägt. Ein entsprechendes Maß an Beweglichkeit ist notwendig, um seine Arme und Beine in eine Position bringen zu können, in der man Druck auf das Wasser ausübt. Beispielweise ist in den meisten Fällen fehlende Beweglichkeit der Grund weshalb beim Brustbeinschlag kein Druck an den Beinen gefühlt wird. Die Füße und Beine können nicht in dem Winkel angezogen werden, dass eine druckvolle Bewegung ausgeführt werden kann. Dementsprechend ist der Vortrieb durch die Beine gering.

Unterteilung des Wassergefühls in Tastsinn und Raumgefühl

Das Wassergefühl kann in zwei Bestandteile unterteilt werden. Zum einen in den Tastsinn und zum anderen in das Gefühl unseres Körpers im Raum (in unserem Fall im Wasser), die sogenannte Propriozeption.

Der Tastsinn

Der Tastsinn, ist der Sinn mit dem wir unsere Umgebung über die Haut wahrnehmen. Über den gesamten Körper sind Sensoren verteilt, mit denen wir fühlen und spüren. Hierbei weisen einzelne Bereiche mehr Sensoren auf (unsere Hände) und andere weniger (unsere Ellbogen). Wir spüren also mit einzelnen Körperteilen unterschiedlich intensiv. Ein weiterer Einflussfaktor auf unseren Tastsinn ist, wie viel Kapazität unser Gehirn für die Informationsverarbeitung der Sensoren der einzelnen Körperregionen bereitstellt. Für die Hände wird von unserem Gehirn mehr Kapazität bereitgestellt als für andere Körperregionen. Mit unseren Händen fühlen und spüren wir also sehr viel mehr. Das ist beim Schwimmen vor allem beim Wasserfassen wichtig. Je besser wir das Wasser fühlen, wenn wir mit der Hand eintauchen, umso mehr Druck können wir aufbauen.

Die Propriozeption

Der zweite Teil des Wassergefühls ist die Propriozeption: Die Wahrnehmung unseres Körpers im Wasser. Die dafür benötigten Informationen werden uns von unseren Muskeln, Sehnen und Gelenken vermittelt. Es geht darum zu spüren, wie wir uns Verhalten müssen, um möglichst schnell und widerstandsarm durchs Wasser zu gleiten. Nachdem wir das Wasser gefasst haben geht es in die Druckphase. Um den Druck auch während des Zuges aufrecht zu halten ist ein hohes Maß an Wassergefühl notwendig. Wir müssen spüren, wie wir unsere Hand optimal durch das Wasser führen. Diese Fähigkeit wird umso entscheidender je schneller wir schwimmen. 

Die Effizienz beim Schwimmen

Rückschlüsse wie gut das Wassergefühl eines Athleten ist, gibt die Effizienz seiner Züge wieder. Also wie viel Strecke schafft der Schwimmer mit einem Zug in einer gewissen Zeit. Das lässt sich auch errechnen indem man die Züge auf einer vorgegebenen Strecke zählt und gleichzeitig die Zeit stoppt (der Stroke Index).

Bei der obigen Formal hat die Körpergröße einen großen Einfluss. Wer Athleten unterschiedlicher Größe Vergleichen möchte sollte die Armspannweite heranziehen und es ergibt sich die Antriebseffizienz.

Eine genaue Messung des Drucks an der Hand ist aktuell noch nicht möglich. Der Druck an der Hand, das Wassergefühl eines Schwimmers ist aber entscheidend ob und wie erfolgreich ein Schwimmer ist und ob er es auf internationales Niveau schaffen kann. Die Athleten mit dem besten Wassergefühl setzen sich durch und schaffen es zu den internationalen Wettkämpfen. Dort angekommen spielt das Wassergefühl nicht mehr die entscheidende Rolle. Faktoren wie Start, Wenden und Unterwasserphase unterscheiden die Gewinner von dem restlichen Teilnehmerfeld. Es ist davon auszugehen, dass alle Athleten auf internationalem Niveau ein extrem ausgeprägtes Wassergefühl haben.

Kann man Wassergefühl trainieren?

Die gute Nachricht ist, Wassergefühl ist nicht angeboren und du kannst es trainieren. Es ist eine Fähigkeit wie jede andere und kann daher trainiert werden. Einige brauchen dafür etwas mehr Zeit andere weniger. Es ist aber eine entscheidende Komponente beim Schwimmen. Daher solltest du, der sich im Schwimmen weiterentwickeln möchte, damit auseinandersetzten. Folgend ein paar Übungen wie du dein Wassergefühl trainieren kannst.

Sculling, Tellern, Paddeln oder Wriggen

Es gibt verschiedene Bezeichnungen für diese Übungen. Ich kenne es unter Wriggen. Beim Wriggen wird mit der Handfläche quer zur Schwimmrichtung eine Ein- und Auswärtsbewegung gefahren. Zum Beispiel liegt der Athlet auf den Bauch im Wasser und winkelt die Arme so an, dass die Finger spitzen zum Boden zeigen. Nun wird mit der Hand eine acht „gemalt“ und es entsteht ein Vortrieb. Diese Übung kann man in jeder Körperlage (Rück-, Seiten, Sitz- und Bauchlage) durchführen oder auch kopf- und fußwärts. Um die Übung zu erschweren, kannst du die Übung in der jeweiligen Lage auch einarmig ausführen. Zu Beginn kann es vorkommen, dass die Hüfte absinkt und so keine optimale Lage des Körpers vorhanden ist. Um dies zu kompensieren kannst du dir ein Pullboy o.ä. zwischen die Beine klemmen. Dies sollte aber nur eine Übergangslösung für den Notfall sein. Baue schnellstmöglich die nötige Körperspannung auf, damit du waagerecht im Wasser liegst. Das stellt eine Grundvoraussetzung beim Schwimmen da und sollte daher schnell erlernt werden. Mit dem Wriggen trainierst du vor allem deinen Tastsinn im Wasser.

Kontrastübungen

Bei den Kontrastübungen geht es darum genau gegensätzlich zum Ziel zu arbeiten. Für das Wassergefühl bedeutet dies, dass versucht wird möglichst wenig Druck an der Hand zu spüren. Dies wird dadurch erreicht, dass die Handstellung geändert wird. So kannst du mit gespreizten Fingern, mit der Faust schwimmen oder die Handgelenksstellung ändern. Damit wird das Gefühl für die „richtige Stellung“ geschult. Es bietet sich an, nach der Kontrastübung in die richtige Handstellung zu wechseln um den Unterschied am deutlichsten zu spüren.

Frequenzübungen

Bei den Übungen zur Frequenz wird die Zugfrequenz beim Schwimmen variiert. Hierzu zählst du die Züge pro Bahn und du kannst sie entweder erhöhen oder verringern. Idealerweise machst du nach dem Abstoßen eine feste Anzahl an Delfinkicks, damit die Unterwasserphase gleich lang bleibt. Die Frequenzübungen kannst du als Kontrastübung durchführen und abwechselnd mit einer hohen und einer niedrigen Frequenz schwimmen. Eine weitere mögliche Ausführung ist, dass die Züge pro Bahn verringert werden und die Schwimmgeschwindigkeit gleichbleibt. Als Beispielserie kannst du 10x50m auf eine Abgangszeit schwimmen. Der erste 50er dient als Benchmark und wird mit einem zügigen Tempo geschwommen. Bei den restlichen 50ern wird die Zeit der ersten Serie gehalten und jeweils versucht 1 Zug weniger auf den 50m zu machen.

Beim Wriggen wird mit der Handfläche quer zur Schwimmrichtung eine Ein- und Auswärtsbewegung gefahren.

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