warum er dein Wassergefühl und deine Geschwindigkeit verändert
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ToggleDer „hohe Ellbogen“ im Kraulschwimmen gehört zu den Begriffen, die man im Schwimmtraining ständig hört – aber nur selten wirklich versteht. Viele Schwimmer wissen, dass der Ellbogen „oben bleiben“ soll, doch wie das genau aussieht, warum es biomechanisch sinnvoll ist und wie man es trainiert, bleibt oft unklar. In diesem Artikel schauen wir uns den hohen Ellbogen im Kraulschwimmen ganz genau an – praxisnah, verständlich und mit einem Blick in die Sportwissenschaft.
Du erfährst, was ein hoher Ellbogen wirklich bedeutet, welche Rolle er für Vortrieb, Wassergefühl und Schultergesundheit spielt und mit welchen Übungen du die Technik Schritt für Schritt verbessern kannst. Natürlich alles im typischen SwimCoachJörn-Stil: klar erklärt, direkt im Training umsetzbar.
Was bedeutet „hoher Ellbogen“ überhaupt?
Wenn Trainer vom „hohen Ellbogen“ sprechen, meinen sie meistens zwei Bereiche der Armbewegung im Kraulschwimmen:
- Die Unterwasserphase (Catch und Zugphase) – hier geht es um den hohen Ellbogen unter Wasser
- Die Überwasserphase (Recovery) – der hohe Ellbogen über Wasser
In diesem Artikel liegt der Fokus auf dem hohen Ellbogen unter Wasser, weil er entscheidend für Vortrieb, Wassergefühl und eine saubere Technik ist.
Hoher Ellbogen unter Wasser – Early Vertical Forearm (EVF)
Beim hohen Ellbogen unter Wasser geht es darum, dass dein Ellbogen in der Zugphase näher an der Wasseroberfläche bleibt, während Unterarm und Hand möglichst schnell in eine senkrechte Position kommen. Im Englischen wird das oft „Early Vertical Forearm“ (EVF) genannt.
Stell dir vor, du streckst den Arm nach vorne ins Wasser. Direkt danach:
- beugst du den Ellbogen,
- lässt den Ellbogen relativ weit oben,
- bringst Unterarm und Hand in eine senkrechte Stellung, sodass du eine große Fläche gegen das Wasser drücken kannst.
Dadurch entsteht eine Art „Paddel“ aus Unterarm und Hand. Je größer diese wirksame Fläche ist und je besser du den Druck nach hinten richtest, desto mehr Vortrieb erzeugst du – ohne mehr Kraft aufbringen zu müssen.
Hoher Ellbogen über Wasser – entspannte, saubere Recovery
Über Wasser hilft dir ein hoher Ellbogen, die Schulter zu entlasten und den Arm locker nach vorne zu führen. Du kennst das Bild: Der Ellbogen kommt zuerst aus dem Wasser, der Unterarm hängt locker, die Hand „fällt“ nach unten. Das sieht nicht nur elegant aus, sondern spart auch Energie und reduziert die Belastung auf Rotatorenmanschette und Schultergelenk.
Für viele Schwimmer ist es hilfreich, zuerst die Unterwassertechnik (EVF) zu verstehen und anschließend die Recovery anzupassen.
Biomechanik: Warum ein hoher Ellbogen mehr Vortrieb bringt
Aus biomechanischer Sicht ist der hohe Ellbogen so wichtig, weil er die wirksame Fläche von Unterarm und Hand vergrößert, die du gegen das Wasser drückst. Entscheidend sind dabei zwei Dinge:
- Die Richtung der Kraft: Idealerweise drückst du das Wasser nach hinten, nicht nach unten.
- Die Fläche, mit der du Druck aufbaust: Hand und Unterarm wirken zusammen wie ein Paddel.
Moderne Untersuchungen zur Frontcrawl-Biomechanik zeigen, dass die Hand- und Unterarmbewegung den größten Anteil am Vortrieb hat, während Beine vor allem für Balance und Rhythmus verantwortlich sind. Je besser du dieses „Paddel“ aus Unterarm und Hand einsetzt, desto effizienter schwimmst du.
Eine Übersichtsarbeit zur Propulsion im Schwimmen kommt zu dem Schluss, dass besonders die Stellung von Hand und Unterarm zur Strömung (Pitch-Winkel) entscheidend für die Vortriebskraft ist. Ein früh hoher Unterarm vergrößert die effektive Fläche und verbessert damit den Antrieb, ohne dass du härter ziehen musst.
Wassergefühl und hoher Ellbogen – wie beides zusammenhängt
Wassergefühl bedeutet, dass du den Druck des Wassers auf deine Hand und deinen Unterarm bewusst wahrnimmst und steuern kannst. Ein hoher Ellbogen unterstützt dieses Wassergefühl, weil du:
- länger eine stabile Druckfläche im Wasser hast,
- die Zugphase besser kontrollieren kannst,
- klarer spürst, wann du „richtig greifst“ und wann der Zug ins Leere läuft.
Viele Schwimmer mit „fallendem Ellbogen“ verlieren früh im Zug den Kontakt zum Wasser. Das fühlt sich oft so an, als würdest du ins Leere greifen oder nur Luft bewegen. Mit einem hohen Ellbogen spürst du dagegen schon früh im Zug, wie das Wasser Druck auf Unterarm und Hand aufbaut – ein deutliches Zeichen, dass du effizient arbeitest.
Hier findest du mehr praktische Tipps zum Wassergefühl!
Schultergesundheit: Hoher Ellbogen ja – aber mit Kontrolle
Vielleicht fragst du dich: Ist ein hoher Ellbogen nicht schlecht für die Schulter? Die Antwort: Es kommt darauf an, wie du ihn ausführst.
Wenn du versuchst, den Ellbogen mit Gewalt nach oben zu ziehen, dich dabei verdrehst oder ins Hohlkreuz gehst, kann das die Schulter tatsächlich unnötig belasten. Wenn du aber:
- deine Schulterblätter aktiv kontrollierst,
- den Rumpf stabil hältst,
- und die Bewegung sauber aus der Schulter und dem Oberarm führst,
kann ein hoher Ellbogen sogar schulterfreundlicher sein, weil du den Zug effizienter gestaltest und Extrempositionen vermeidest.
Studien zu Schulterkinematik im Schwimmen zeigen, dass wiederholte Überkopfbewegungen zwar belastend sein können, eine saubere Technik mit guter Schulterblattführung aber das Risiko für Schmerzen deutlich reduziert. Genau hier kommt deine Technikarbeit ins Spiel: Ein bewusster, kontrollierter hoher Ellbogen sorgt für Stabilität statt Stress.
Wie du allgemein deine Schultermobiltät verbesserst erfährst du hier!
Typische Fehler beim Versuch, den Ellbogen hoch zu halten
Wenn Schwimmer zum ersten Mal bewusst auf den hohen Ellbogen achten, schleichen sich oft typische Fehler ein. Hier ein Überblick – und worauf du stattdessen achten solltest.
1. Ellbogen zu weit nach außen
Viele übertreiben und führen den Ellbogen weit seitlich nach außen. Die Folge: Der Zug verläuft schräg, der Körper wackelt und du verlierst Stabilität. Besser: Stell dir vor, dein Ellbogen bleibt in einer Linie mit deiner Schulter und zieht leicht nach außen, aber nicht extrem.
2. Hand drückt nach unten statt nach hinten
Ein klassischer Fehler: Du willst Druck spüren und drückst das Wasser nach unten. Das hebt zwar kurzfristig den Oberkörper, bringt aber kaum Vortrieb und zerstört deine Wasserlage. Ziel ist immer, das Wasser nach hinten wegzuschieben. Unterarm und Hand sollten möglichst senkrecht zur Bewegungsrichtung stehen.
3. Zu früher oder zu großer Kraftaufwand
Wenn du direkt am Anfang der Zugphase extrem kräftig ziehst, reißt du oft die Struktur der Bewegung auseinander. Besser: baue den Druck über den Zugverlauf auf. Erst fassen, dann ziehen, dann beschleunigen.
4. Fehlende Rumpfstabilität
Ohne stabilen Core bringt der beste Ellbogen nichts. Wenn deine Hüfte absinkt, der Körper seitlich wegkippt oder der Beinschlag unruhig wird, verändert sich die Druckrichtung ständig. Rumpfstabilität ist die Basis für einen kontrollierten, hohen Ellbogen.
5. Übertriebene Überwasserbewegung
Manche Schwimmer konzentrieren sich so sehr auf den hohen Ellbogen über Wasser, dass die Unterwasserphase leidet. Der Fokus sollte immer auf dem liegen, was unter Wasser passiert – dort wird der Vortrieb erzeugt.
Wie du den hohen Ellbogen im Kraulschwimmen trainieren kannst
Jetzt wird es praktisch. Hier kommen konkrete Übungen, mit denen du Schritt für Schritt ein besseres Gefühl für den hohen Ellbogen entwickelst.
1. Sculling in der Catch-Position
Lege dich in Bauchlage ins Wasser, Arme nach vorne gestreckt. Beuge leicht die Ellbogen, sodass Unterarme und Hände leicht schräg nach unten zeigen. Führe nun kleine Vor- und Zurückbewegungen mit den Händen aus, ohne große Armzüge zu machen.
Fokus:
- Ellbogen bleiben näher an der Oberfläche
- Unterarme und Hände spüren den Druck des Wassers
- Bewegung klein, kontrolliert und fließend
2. Kraul mit Faust
Schwimme Kraul, aber balle die Hände zu Fäusten. Dadurch nimmst du einen Teil der Handfläche aus dem Spiel – dein Unterarm muss mehr arbeiten.
Fokus:
- Ellbogen beugen und oben lassen
- Unterarm als Druckfläche nutzen
- Zug nicht hektisch, sondern kontrolliert ausführen
Du wirst merken: Wenn der Ellbogen fällt, verlierst du komplett das Wassergefühl. Wenn er oben bleibt, spürst du trotz Faust, wie du Druck aufbaust.
3. Einarmiges Kraul mit Fokus auf Zugphase
Schwimme Kraul nur mit einem Arm, der andere liegt seitlich am Körper oder gestreckt nach vorne. Atme zur aktiven Seite, um den Bewegungsablauf gut beobachten zu können.
Fokus:
- Bewusstes Beugen des Ellbogens nach dem Eintauchen
- Unterarm senkrecht stellen
- Zug bis zur Hüfte durchziehen
Wechsle regelmäßig die Seite, um Dysbalancen zu vermeiden.
4. „Finger Drag“ über Wasser
Diese Übung hilft dir, die Überwasserphase zu verbessern und den Ellbogen oben zu halten. Schwimme Kraul und ziehe beim Rückholen der Hand die Fingerspitzen leicht über die Wasseroberfläche.
Fokus:
- Ellbogen zeigt nach oben
- Unterarm und Hand hängen locker
- Schulter entspannt
5. Trockenübungen mit Theraband
Auch an Land kannst du an der Zugbewegung arbeiten. Befestige ein Theraband auf Schulterhöhe und simuliere die Zugphase mit leicht gebeugtem Ellbogen.
Fokus:
- Schulterblatt aktiv nach hinten/unten führen
- Ellbogen bleibt höher als die Hand
- Unterarm „greift“ das Band und zieht kontrolliert nach hinten
Übungen für Kraulanfänger findest du hier!
Ein Beispiel-Trainingsblock zum hohen Ellbogen (im Wasser)
Diesen Block kannst du direkt in dein Schwimmtraining einbauen. Dauer: ca. 20–25 Minuten.
Einschwimmen: 200 m locker (100 m Kraul, 50 m Rücken, 50 m beliebig)
Technikteil:
- 4 × 25 m Sculling vorne in Catch-Position
- 4 × 25 m Kraul mit Faust, Fokus hoher Ellbogen
- 4 × 25 m einarmiges Kraul (2 pro Seite)
Hauptteil (mit Technikfokus):
4 × 50 m Kraul
1.–2. 50 m: erste Hälfte der Bahn bewusst technisch sehr langsam, zweite Hälfte normal schwimmen
3.–4. 50 m: Fokus auf frühes Beugen des Ellbogens und Druck nach hinten
Ausschwimmen:
100 m Rücken locker, Schultern entspannen
Wie du den hohen Ellbogen in dein gesamtes Techniktraining integrierst
Der hohe Ellbogen ist kein „Extra-Baustein“, sondern Teil deiner gesamten Kraultechnik. Am effektivsten ist es, wenn du ihn mit anderen Technikthemen verbindest, zum Beispiel:
- Rumpfstabilität (Core-Training an Land und im Wasser)
- Wassergefühl (Sculling, langsame Zugserien)
- Atmung (ruhige Kopfhaltung, stabile Rotation)
Du musst nicht in jeder Einheit nur auf den Ellbogen achten. Sinnvoll ist es, dir pro Training einen klaren Fokus zu setzen und 10–15 Minuten gezielt an einem technischen Detail zu arbeiten. Der hohe Ellbogen eignet sich perfekt als Thema für mehrere Wochen – du wirst merken, wie sich dein Wassergefühl, dein Druck im Wasser und deine Geschwindigkeit spürbar verändern.
Fazit: Der hohe Ellbogen macht deinen Kraulzug effizienter
Ein hoher Ellbogen im Kraulschwimmen ist kein „Profi-Detail“, sondern eine grundlegende Technik, von der jeder Schwimmer profitieren kann. Er hilft dir, dein Wassergefühl zu verbessern, mehr Druck auf das Wasser zu bringen, deine Schulter zu entlasten und insgesamt ökonomischer zu schwimmen.
Wichtig ist, dass du den hohen Ellbogen nicht mit Gewalt erzwingst, sondern über saubere Technik, Rumpfstabilität und gezieltes Techniktraining entwickelst. Nimm dir Zeit, arbeite mit klaren Drills und achte auf dein Körpergefühl. So wird aus einer abstrakten Traineranweisung ein ganz konkretes Werkzeug für deine Schwimmtechnik.
Wenn du dir unsicher bist, wie dein Zug wirklich aussieht, kann eine Videoanalyse mit einem Trainer wie SwimCoachJörn dir enorm weiterhelfen. Oft reichen ein paar gezielte Hinweise, um das Bewegungsmuster zu verändern – und plötzlich merkst du, wie du das Wasser wirklich „greifst“.
Wissenschaftliche Quellen zum Thema Vortrieb und Armzug im Kraulschwimmen
Auch in der Sportwissenschaft wird die Rolle von Armzug, Hand- und Unterarmstellung immer genauer untersucht. Wenn du tiefer einsteigen möchtest, findest du hier einige spannende Quellen:
Romagnoli, C. et al. (2025). Arm Propulsion in Front Crawl Stroke. Sports, 13(1), 6. Verfügbar unter: https://www.mdpi.com/2075-4663/13/1/6
Koga, D. et al. (2022). Relationship Between Hand Kinematics, Hand Velocity, and Hand Forces in Front Crawl Swimming. Frontiers in Sports and Active Living, 4:786459. Verfügbar unter: https://www.frontiersin.org/journals/sports-and-active-living/articles/10.3389/fspor.2022.786459/full
Van Houwelingen, J. (2017). Effective Propulsion in Swimming – A Literature Review on Hand and Arm Movements. Vrije Universiteit Amsterdam. Verfügbar unter: https://research.vu.nl/files/280351807/Effective_propulsion_in_swimming.pdf
Habechian, F.A.P. et al. (2019). Swimming Practice and Scapular Kinematics in Young Athletes. Journal of Human Kinetics, 67, 79–89. Verfügbar unter: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6333225/
Diese Arbeiten zeigen, wie wichtig Hand-, Unterarm- und Schulterposition für einen effizienten Vortrieb sind – und bestätigen damit das, was du im Training mit einem sauber ausgeführten hohen Ellbogen direkt spüren kannst.
